Wie müssen Kinderbücher sein?
Die Tochter antwortet: „Man muss sie verstehen können, sie müssen Spaß machen und sie dürfen nicht lügen!“
So einfach ist das.
Allerdings gibt es ausgerechnet im Bereich der Bilderbücher gar nicht wenige, die eine Welt darstellen, die so nicht existiert. Und dabei geht es nicht um blinkende Sternenfee-Universen, sondern um pseudo-realistische Darstellungen von Bauernhof- und Landwirtschaftsszenen.
Praktisch jedes Bilderbuch, das vom Leben auf dem Land erzählt, verschweigt schlichtweg wie moderne Tierhaltung tatsächlich stattfindet.
Und wer schon als Kind in seinem Lieblingsbilderbuch sah, wie Kälbchen glücklich in einer Herde auf der Weide stehen und an der Zitze der Kuh-Mama saugen – der glaubt auch später gerne, dass die grünen Wiesen auf den Milchpackungen vom tatsächlichen Leben der Milchkühe erzählen.
Bild aus einem Kinderbuch oder von einer Milchpackung?
Und wem man von klein auf erzählte, dass Ferkelchen sich gemütlich im Heu an die Muttersau kuscheln und tagsüber durch Matschepampe hüpfen dürfen – dem schmeckt seine Wurst viel besser. Vorallem, wenn sie ein lustiges Gesicht hat.
Dieses wirklich schöne Buch von Gerda Muller stammt aus einer Zeit, als das beschriebene Schweineleben noch einigermaßen der Realität entsprach.
Es gibt einen sehr interessanten TED-Talk zum Thema Karnismus von Dr. Melanie Joy, Professorin für Psychologie und Soziologie an der Universität von Massachusetts in Boston. Sie ist ebenfalls Autorin des sehr empfehlenswerten Buches Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen: Karnismus – eine Einführung.
Ich habe meine Kinder weder zum Veganismus noch zum Vegetarismus erzogen. Auch lege ich großen Wert darauf, dass sie ihre Freunde und Mitmenschen nicht nach deren Ernährungsverhalten beurteilen.
Aber ich möchte meine Kinder ernst nehmen in ihren Ideen, Bedürfnissen und Vorstellungen. Und so möchte ich ihnen die Möglichkeit geben, bewusste Entscheidung zu treffen.
Meine Kinder kennen nicht alle Fakten zum Thema Massentierhaltung. Und soweit ich es weiß, haben sie nie ein Video mit Bildern aus Mastställen und ähnlichem gesehen.
Aber sie wissen, dass „Nutztiere“ nicht artgerecht und frei leben.
Wenn ich meine Tochter frage, wie das Leben eines Schweines aussieht, dann sagt sie „Es lebt in einer großen Halle dicht an dicht mit anderen Schweinen und sieht wahrscheinlich nie die Sonne“.
Das ist zwar nicht die ganze Wahrheit – aber viel näher dran, als das, was wir Kindern üblicherweise durch Bilderbücher, Kinderfilme usw. suggerieren.
Meine Kinder kommen mit zum Einkaufen. Sie tun das nicht gerne – aber ich empfinde es als notwendiges Übel, damit sie zum einen aktiv miteintscheiden können, was wir essen – und zum anderen auch sehen, was Nahrungsmittel kosten und weshalb sie nicht verschwendet oder weggeschmissen werden sollten.
Letztens in einem Supermarkt brachten sie mir einen Eierkarton, auf dem stand, dass den Hühnern, die diese Eier gelegt hatten, NICHT die Schnäbel abgeschnitten worden waren.
Was bei ihnen natürlich entsprechende Fragen aufwarf.
Auf Eier hatten sie keinen Appetit mehr – auch wenn ich die Kükenschredderangelegenheit gar nicht erzählte.
Meine Kinder waren schon mal sauer auf mich, als sie das Gefühl hatten, ich hätte sie angelogen.
Die täglich radiohörende Tochter hatte einen Bericht über die Lebensbedingungen von Neuland-Tieren gehört und fand, ich hätte ihnen da etwas vorgemacht, da es diesen Tieren ja kaum besser ging als jenen aus Massentierhaltung.
Ich kann diese Reaktion gut verstehen und versuche ständig den Balance-Akt zu schaffen zwischen: Den Kindern keine Essensvorschriften zu machen (mal abgesehen von „Keine Chips und Schokolade zum Mittag“ ;-)), sie aufzuklären ohne ihnen den tatsächlichen Horror zu offenbaren und ihre Entscheidungen mitzutragen.
Ich freue mich sehr über Bücher wie dieses: Die Welt der Tiere: Sehen & Verstehen.
Abgesehen von unzähligen spannenden und auch für mich neuen Infos rund ums Tierreich wird hier nichts beschönigt.
Im Gegenteil: Es werden einige Problemthemen – wie Klimaerwärmung und die Bedrohung des Regenwaldes – kindgerecht erklärt. Ohne bei den ernsten Themen ein beklemmendes Gefühl aufkommen zu lassen.
Stattdessen fühlt man sich die ganze Zeit wie ein Entdecker, dem allerhand Geheimnisse offenbart werden. Ehrlich gesagt kann ich mich gar nicht genug über dieses fantastische und schön illustrierte Buch freuen!
Die Tochter fand lediglich, dass es einige unnötig schwere Worte im Text gab bzw. entsprechende Erklärungen fehlten. Da muss ich ihr leider zustimmen.
Denn Begriffe wie u.a. „zentrales Nervensystem“, „Enzyme“ und „Rezeptoren“ hätten Achtjährigen wirklich in einem kurzem Satz erklärt werden können.
Trotzdem: Absolute Kauf-Empfehlung!
(Altersstufe: 8 – 12 Jahre)