Kinder und der Tod

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Abendspaziergänge sind eigentlich das Beste vom Tag.
Man kann die Gedanken schweifen lassen kann. Und so schweiften meine Kinder und ich zum Thema: Der Tod.

Wenn man Kinder über den Tod nachdenken lässt, ihnen zuhört und sich gemeinsam mit ihnen auf die Suche nach Fragen und vielleicht sogar Antworten begibt – kann es ganz schön spannend werden. Manchmal sehr nachdenklich. Aber auch gar nicht so selten schön und leicht.

Als mein Vater und der Opa der Kinder vor vier Jahren starb, habe ich mich spontan dazu entschieden, meine Kinder aktiv in das Thema miteinzubeziehen.
Auch wenn es aus meinem Umfeld durchaus ein paar kritische Stimmen dazu gab.

Kurz vor seiner Beerdigung wurde mein Vater im Beerdigungsinstitut aufgebahrt, damit der engste Familienkreis Abschied nehmen konnte.
Meine Kinder – zu dem Zeitpunkt 5 und 7 Jahre alt – nahm ich mit.
Zuvor hatten die Beiden Bilder für den Opa gemalt, die wir zu ihm in den Sarg legten – und die er mitnahm in sein Grab.
Ich habe damals schon sehr genau gespürt, dass die Kinder nicht nur traurig waren,  sondern auch fasziniert vom toten Opa. Von der Tatsache, dass da ein Körper lag, aus dem alles Leben gewichen war.
Aber eben auch – und das war die Hauptsache: Sie waren beruhigt, weil sie ganz klar sehen und wahrnehmen konnten, dass es nicht der Opa ist, der da bald tief ins Grab kommen und mit Metern von Erde bedeckt werden sollte.
Sondern nur noch eine Hülle – in der Opa einmal gewohnt und gelebt hatte.
Aber die er nun verlassen hat.

An den Tag der Beerdigung denke ich heute eigentlich gerne.
Ich lief mit den Kindern alleine zum Friedhof.
Es war ein sonniges, aber auch stürmisches Wetter. Der Wind stob durch die Baumwipfel und die Blätter rauschten laut.
Fast ein bisschen dramatisch.
Auf dem Friedhof angekommen erwartete uns eine große Menschenmenge – dadurch war der letzte Abschied weniger intim.
Aber als mein Vater ins Grab gelassen wurde, tippte meine Tochter mich an und sagte: „Schau!“ – und meine Kinder und ich sahen einen kleinen Spatz aus dem Grab nach oben in den Himmel flattern.
Es war ein so schönes Bild – ganz besonders für meine Kinder, die sich verschwörerisch anschauten.
Mitten in der sie umgebenden Trauer.

Bis heute erzählen sie die Geschichte immer mal wieder (und natürlich gibt es auch allerhand fantasievolle Interpretationen zu dem kleinen Vogel) – und ich freue mich jedes Mal sehr, dass sie so eine kleine positive Erinnerung an den Tod ihres Opas haben.

Als Buch-Liebhaberin habe ich natürlich auch einige Kinderbücher zu dem Thema angeschafft.
Das Lieblingsbuch der Kinder ist: Die besten Beerdigungen der Welt.
Das ist ein ganz wunderbar unsentimentales, aber trotzdem gefühlvolles Buch. Es erzählt von drei Kindern, die ein Beerdigungsinstitut für tödlich verunglückte Tiere gründen – damit ein jedes wirklich die beste Beerdigung der Welt erhält.
Bei uns wurden schon vor Buchanschaffung allerhand Insekten, Mäuse und Vögel mit Blumenbeigaben bestattet – drum mochten meine Kinder dieses Buch umso lieber.
Für Kinder ab ca. 5 Jahren.

Ebenfalls beliebt bei meinen Kindern ist das Buch Adieu, Herr Muffin – das vom alten Meerschweinchen Herr Muffin erzählt, dem es einfach nicht mehr gut geht und der schließlich verstirbt.
Meine Tochter hat es unzählige Male gelesen – mir fällt das Vorlesen etwas schwer, aber ich bin auch leicht sentimental, wenn es um dahinscheidende Tiere geht :-)
Für Kinder ab ca. 5 Jahren.

Optisch sehr schön und einfühlsam geschrieben ist Ente, Tod und Tulpe. Eines meiner Lieblingsbücher zum Thema, in dem man dem personifizierten Tod begegnet, der aber gar nicht gruselig oder schrecklich ist – sondern eher leise und freundlich. Und der Ente, die schließlich verstirbt – ganz ohne Drama, sondern weil manche Dinge eben so sind und man sie nicht ändern kann.
Für Kinder ab ca. 7 Jahren.

Im Buchladen durchgeblättert habe ich das Buch Hat Opa einen Anzug an?, das ich auch empfehlen kann. Aufgrund der etwas düsteren Illustationen würde ich es ab ca. 6 – 7 Jahren empfehlen (und nicht wie angegeben ab 4 Jahren).

Gestern gab es beim Spaziergang dann noch eine Mäusebeerdigung: Eine kleine Feldmaus lag mausetot (warum sagt man das eigentlich?) am Wegesrand und die Kinder fanden, sie verdiene ein ordentliches Begräbnis und ein paar schöne Abschiedworte: „Heute Nacht reist du zu den Sternen, kleine Feldmaus.“
Danach dachte die Tochter noch ein wenig nach: „Wenn wir einfach so eine Fliege totschlagen, weil sie uns abnervt. Dann ist das für uns keine große Sache und wir haben es sofort wieder vergessen. Aber für die Fliege ist es eine richtig große Sache, denn sie hatte schließlich auch nur dieses eine Leben und wollte das ganz gerne leben. Da wäre es doch wirklich besser, wenn wir es aushalten, mal ein bisschen genervt zu sein. Und dafür die Fliege dann am Leben lassen!“.
Dem ist im Allgemeinen nichts hinzuzufügen.
:-)

(bei den Buch-Empfehlungen handelt es sich um Afiliate-Links)

„Seid Ihr noch da?“

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Fall der Mauer. Für mich ist es ein Tag der Freude – immer wieder. Seit 25 Jahren.
Man kann sich streiten über alles was davor und danach kam.
Aber der Mauerfall war einfach grandios.
Und jeder, der ihn miterlebte, wird dieses Ergeignis niemals vergessen. Wird immer ein bisschen Gänsehaut bekommen. Immer wieder das Gefühl in sich spüren „Alles ist möglich! Selbst die undenkbarsten Sachen – können passieren!“
Ich bin in West-Berlin aufgewachsen. Die Mauer war immer da. Sie stand am Ende der Straße, in der ich lebte. Sie begrenzte jeden selbständigen Abenteuerausflug meiner Kindheit. Und sie bewirkte, dass jeder Urlaub mit unendlichem Warten an der Grenze begann. Man jedes Mal Panik hatte, rausgewunken zu werden, Koffer auf, alles raus und durchwühlt, daneben stehen wie erwischte Verbrecher.
Unsere liebsten Verwandten wohnten im Osten. Und so verbrachte ich Sommer um Sommer meiner Kindheit in der unendlichen Kinderfreiheit der DDR. Irgendwie fand ich das wirklich so. Die Erwachsenen scherten sich kaum um uns, waren mit sich selbst beschäftigt. Verstummten oft, wenn wir Kinder ins Zimmer platzten. Und man hörte ihre Stimmen erst wieder dumpf durch die Tür, wenn wir Kinder nicht mehr dabei waren. Es gab kaum Verbote, keine merkwürdigen Schilder wie „Rasen betreten verboten“ oder „Eltern haften für ihre Kinder“. Ich glaube, ich habe tagelang mit meiner Großcousine in den tiefen Höhlengewölben des Harz verbracht, ohne dass es die Erwachsenen überhaupt wahrnahmen.
Einmal hatte ich ein Mickey Mouse-Heft in meinen Kinderkoffer gepackt. Das erzählte ich meiner Mutter, als wir in der Schlange anstanden am Grenzübergang, dem heutigen Tränenpalast. Meine Mutter wurde damals bleich. Das sei streng verboten. Kapitalistische Propaganda, das gibt Ärger. Aber der Grenzpolizist hatte zum Glück kein Interesse an meinen Kinderkleidchen und Spielzeugen im Koffer.
Die Züge in der DDR waren so voll, dass ich manchmal an Kriegserzählungen meines Vaters denken musste. Und irgendwann blieben sie irgendwo einfach stehen, stundenlang. Mal wieder: Koffer durchsuchen lassen. Ich liebte den Trabbi meines Großcousins, mit dem er uns vom Bahnhof abholte. Alle klebten irgendwie aneinander, die Sitze hingen durch und man war einfach froh sich wiederzusehen.

Als meine Eltern vor 25 Jahren sagten: „Die Mauer ist offen“, fand ich das komplett surreal. Unheimlich. Das kann ja gar nicht sein.
Mein Vater sagte: „Komm, wir fahren los. Zum Brandenburger Tor!“. Sehr weit kamen wir nicht. In der Gegend vom Tempelhofer Flughafen war die ganze Stadt so verstopft, dass es kein Vor und kein Zurück gab. Auto stehen lassen, rein in die U-Bahn, in der Volksfeststimmung war. Wildfremde Menschen umarmten wildfremde Menschen. Die Züge waren so überlastet, dass man schließlich aussteigen und laufen musste. Dann ist meine Erinnerung  verschwommen, so viele Menschen, umgeben von unendlichem Freudentaumel. Irgendwelche Leute zogen mich auf die Mauer und da stand ich, schaute nach drüben auf die bewaffneten Grenzpolizisten. Angekommen ist es an dem Abend noch nicht in meinem Kopf.
Am nächsten Morgen dann klingelte es an der Tür: Unsere Verwandten aus der DDR waren da. Zum ersten Mal. Und endlich begann ich es zu begreifen: „Das ist jetzt so, das bleibt auch so“.
Erleichterung.
(schaut mal bei Inka, wie andere diesen Tag erlebten. Damals)

Meine Kinder kennen eine Menge Geschichten aus der DDR. Wir haben im Prenzlauer Berg gewohnt – und sie wissen, dass dies mal Ost-Berlin war. Und dass es mal sehr anders war. Nur ein paar Meter entfernt von West-Berlin war es eine andere Welt. Nicht besser, nicht schlechter. Anders.
Ich habe nicht viele Kinderbücher gefunden, die mir gefallen haben bezüglich dieses Themas. Aber eines mag ich ganz besonders: Fritzi war dabei: Eine Wendewundergeschichte

Fritzi kommt gerade in die 4. Klasse. Die Sommerferien sind vorbei, alles ist irgendwie wie immer.
Oder eben doch nicht.
Als die Kinder in der Klasse nach dem Fahnenappell aufgerufen werden, fehlt ein Mädchen. Ausgerechnet Fritzis Platznachbarin Sophie. Sie ist mit ihren Eltern in Ungarn und kommt nicht mehr zurück. Als Fritzi aus der Schule kommt, erfährt sie, dass außer Sophie noch eine Menge weiterer Leute in Ungarn sind.
Und ständig werden es mehr. Schließlich ruft die Oma aus München an und fragt: „Ich wollte nur mal hören, ob ihr noch da seid!“
Dabei geht der Alltag trotz der „Ungarn-Sache“ weiter und Fritzi ist einfach stolz, endlich Thälmann-Pionier zu sein. Aber schließlich wird auch Mama irgendwie merkwürdig und nachdenklich. Sie fragt Fritzi, ob sie mit zum Friedensgebet in die Nikolaikirche kommen möchte. Obwohl Fritzi keine Ahnung hat, was das sein soll, geht sie mit und erlebt, dass nicht jeder mit den Veränderungen einverstanden ist. Na, aber die sind ja nicht mehr aufzuhalten.
Ich finde dieses Buch wunderbar – es ist nicht tendenziös, es ist einfach ehrlich. Da gibt es keine gute und keine böse Seite. Es wird nichts beschönigt, aber alles wird mit einem großen Herzen und viel Verständnis erzählt.
Und so endet die Geschichte wunderschön mit Fritzi, die bei Oma in München im Wohnzimmer einschläft und denkt „Vielleicht ist es ja einfach ein Wunder.“

Und das ist es ja auch – bis heute.

Ein ideales Buch für Kinder ab ca. 7 Jahren – und es ist so schön und gibt so vieles zu dem Thema zu besprechen, dass Ihr es unbedingt mit Euren Kindern zusammen lesen solltet.

Bücher-Tipp: War Mama eigentlich immer so vernünftig wie heute?

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„Wasch‘ Dir die Hände!“ – „Sei vernünftig und putz‘ Dir die Zähne!“ – ‚Hör‘ mir zu!“ – „Sei bitte freundlich, wenn wir bei den Nachbarn zu Besuch sind!“ – „Keine Schokolade vor dem Essen!“
Mama-Sprüche.
Mama ist einfach immer SO vernünftig.
War sie das eigentlich schon immer?

Ein absolutes Alltime-Favorite-Büchlein meiner Kinder ist das Bilderbuch: Als Mama noch ein braves Mädchen war.

Noch heute blättern  meine Kinder (8 und fast 11 Jahre) das Bilderbuch gerne mal durch – und kichern und gackern.
Das Buch zeigt nämlich, dass Mama gar nicht immer so vernünftig war. Und stattdessen popelte, sich nicht die Zähne putzte, die Wände anmalte, unhöflich war, nicht hörte, Omas Schminkzeug verbrauchte, schlimme Sachen sagte und noch so viel mehr.
Besonders schön ist: Die Texte behaupten durchaus, dass Mama immer brav war – nur die Bilder sprechen eine andere Sprache und verraten das unartige Mama-Kind.

Was soll das? Warum sollen Kinder denken, dass ihre Mama ein ganz schlimmes Kind war? Und werden sie dann nicht auch angeregt, ebenfalls fürchterliche Dinge zu tun? Wände zu bekritzeln und Katzen am Schwanz zu ziehen? Das Buch ist  umstritten, auch weil es angeblich Kinder auf dumme Gedanken bringen könnte und ganz „schmutzige Wörter“ verrät… (obwohl ich denke, dass „Pipistinkerkaka“ usw. wohl eher zu den harmloseren Worten im Wortschatz der meisten Kindergartenkinder gehören).

Aber darum geht es gar nicht.
Für mich gehört zum Elternsein, dass man ganz freiwillig vom Sockel der Perfektion hüpft und zugibt, dass man auch Fehler macht.
Manchmal sogar eine ganze Menge.
Kinder brauchen zwar die Gewißheit, dass die Eltern grundsätzlich wissen, wo es lang geht, dass sie der unumstößliche Fels in der Brandung sind und Kraft und Geborgenheit geben können.
Aber Kinder brauchen keine Eltern, die perfekte Menschen sind.

Und deshalb tut es Kinder SO gut zu sehen, dass Mama als Kind wirklich ganz schön garstig sein konnte, ungehorsam, egoistisch und auch unvernünftig.
Und es spielt gar keine Rolle, ob Ihr als Kinder wirklich all‘ diese schlimmen Dinge getan habt, die im Buch beschrieben werden…
Lasst Euch durch das Buch anregen, Euren Kindern zu erzählen, was Ihr tatsächlich Schlimmes anstelltet. Ihr werdet merken: Ihr kommt Euren Kinder dadurch ein ganzes Stück näher und Euren Kindern ist das unartige Mama-Kind sehr sympathisch!

Lese-Empfehlung für Kinder ab ca. 5 Jahren.

 

Tommy Mütze

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Weil wir Bücher so lieben – liegen bei uns allerhand Bücherkataloge rum, in denen auch die Kids regelmäßig schmökern und sich neue Lieblingsbücher heraussuchen (wo immer ihr derartige Kataloge seht – meine Empfehlung: Nehmt sie mit! Es gibt ganz viele tolle Anregungen darin und man findet Bücher, auf die man so nie gekommen wäre).
In einem dieser Kataloge fand die Tochter ein Buch, das sie UNBEDINGT haben wollte: Tommy Mütze: Eine Erzählung aus Südafrika

Um ehrlich zu sein sprach mich das Buch auf den ersten Blick gar nicht besonders an. Ich dachte zunächst auch, dass es eher ein Buch für Jungs wäre. Aber die Tochter quengelte und mit € 5.95 geht man ja auch kein großes Risiko ein – also wurde es als Ferien-Lektüre bestellt.
Und mal wieder bewahrheitete sich: Hört öfter mal auf Eure Kinder!
Denn das Buch ist wirklich ganz besonders – in vielerlei Hinsicht: Es ist spannend, es handelt von Freundschaft, Zusammenhalt und dass man gemeinsam auch schwierige Situationen meistern kann.
„Tommy Mütze“ beschreibt das Leben von Kindern an einer südafrikanischen Schule, die unterschiedliche Hautfarben und verschiedene familiären Hintergründe haben. Dabei geht es zuweilen auch um sehr ernste Themen wie Krebs – aber eben auch ums alltägliche Schulleben, Fußball und Zickereien zwischen Mädchen und Jungs. Und natürlich von Tommy, der neu in der Klasse ist – und der sein Gesicht einfach nicht zeigen will. Deshalb trägt er ständig eine Ski-Mütze. Natürlich führt das zu allen möglichen Mutmaßungen, auch Hänseleien und sogar tätlichen Übergriffen.
Dabei ist das Buch kein bißchen moralin oder irgendwie aufgesetzt. Die Geschichte ist einfach authentisch – anders kann man es nicht sagen.
Aufgrund der Namen und einiger Slang-Ausdrücke, musste meine Tochter (8 Jahre, kurz vor der 3. Klasse) manchen Satz zweimal lesen, aber weil das Buch so spannend ist, machte ihr das gar nichts aus.
Ich hatte einen ganz besonderen Service: Während einer Ferienwoche las meine Tochter mir das gesamte Buch vor! Das hat wirklich Spaß gemacht und ich fand es auch passend, manches dort angerissene Thema zu besprechen.
Und ich kann Euch sagen: Zum Schluß gibt es ein wirklich tolles, überraschendes Ende!
Absolute Lese-Empfehlung!

Ich fragte meine Tochter, was das Beste an dem Buch ist? „Dass sie alle zusammen gehalten und sie Tommy geholfen haben. Und das Ende!“