„Seid Ihr noch da?“
Fall der Mauer. Für mich ist es ein Tag der Freude – immer wieder. Seit 25 Jahren.
Man kann sich streiten über alles was davor und danach kam.
Aber der Mauerfall war einfach grandios.
Und jeder, der ihn miterlebte, wird dieses Ergeignis niemals vergessen. Wird immer ein bisschen Gänsehaut bekommen. Immer wieder das Gefühl in sich spüren „Alles ist möglich! Selbst die undenkbarsten Sachen – können passieren!“
Ich bin in West-Berlin aufgewachsen. Die Mauer war immer da. Sie stand am Ende der Straße, in der ich lebte. Sie begrenzte jeden selbständigen Abenteuerausflug meiner Kindheit. Und sie bewirkte, dass jeder Urlaub mit unendlichem Warten an der Grenze begann. Man jedes Mal Panik hatte, rausgewunken zu werden, Koffer auf, alles raus und durchwühlt, daneben stehen wie erwischte Verbrecher.
Unsere liebsten Verwandten wohnten im Osten. Und so verbrachte ich Sommer um Sommer meiner Kindheit in der unendlichen Kinderfreiheit der DDR. Irgendwie fand ich das wirklich so. Die Erwachsenen scherten sich kaum um uns, waren mit sich selbst beschäftigt. Verstummten oft, wenn wir Kinder ins Zimmer platzten. Und man hörte ihre Stimmen erst wieder dumpf durch die Tür, wenn wir Kinder nicht mehr dabei waren. Es gab kaum Verbote, keine merkwürdigen Schilder wie „Rasen betreten verboten“ oder „Eltern haften für ihre Kinder“. Ich glaube, ich habe tagelang mit meiner Großcousine in den tiefen Höhlengewölben des Harz verbracht, ohne dass es die Erwachsenen überhaupt wahrnahmen.
Einmal hatte ich ein Mickey Mouse-Heft in meinen Kinderkoffer gepackt. Das erzählte ich meiner Mutter, als wir in der Schlange anstanden am Grenzübergang, dem heutigen Tränenpalast. Meine Mutter wurde damals bleich. Das sei streng verboten. Kapitalistische Propaganda, das gibt Ärger. Aber der Grenzpolizist hatte zum Glück kein Interesse an meinen Kinderkleidchen und Spielzeugen im Koffer.
Die Züge in der DDR waren so voll, dass ich manchmal an Kriegserzählungen meines Vaters denken musste. Und irgendwann blieben sie irgendwo einfach stehen, stundenlang. Mal wieder: Koffer durchsuchen lassen. Ich liebte den Trabbi meines Großcousins, mit dem er uns vom Bahnhof abholte. Alle klebten irgendwie aneinander, die Sitze hingen durch und man war einfach froh sich wiederzusehen.
Als meine Eltern vor 25 Jahren sagten: „Die Mauer ist offen“, fand ich das komplett surreal. Unheimlich. Das kann ja gar nicht sein.
Mein Vater sagte: „Komm, wir fahren los. Zum Brandenburger Tor!“. Sehr weit kamen wir nicht. In der Gegend vom Tempelhofer Flughafen war die ganze Stadt so verstopft, dass es kein Vor und kein Zurück gab. Auto stehen lassen, rein in die U-Bahn, in der Volksfeststimmung war. Wildfremde Menschen umarmten wildfremde Menschen. Die Züge waren so überlastet, dass man schließlich aussteigen und laufen musste. Dann ist meine Erinnerung verschwommen, so viele Menschen, umgeben von unendlichem Freudentaumel. Irgendwelche Leute zogen mich auf die Mauer und da stand ich, schaute nach drüben auf die bewaffneten Grenzpolizisten. Angekommen ist es an dem Abend noch nicht in meinem Kopf.
Am nächsten Morgen dann klingelte es an der Tür: Unsere Verwandten aus der DDR waren da. Zum ersten Mal. Und endlich begann ich es zu begreifen: „Das ist jetzt so, das bleibt auch so“.
Erleichterung.
(schaut mal bei Inka, wie andere diesen Tag erlebten. Damals)
Meine Kinder kennen eine Menge Geschichten aus der DDR. Wir haben im Prenzlauer Berg gewohnt – und sie wissen, dass dies mal Ost-Berlin war. Und dass es mal sehr anders war. Nur ein paar Meter entfernt von West-Berlin war es eine andere Welt. Nicht besser, nicht schlechter. Anders.
Ich habe nicht viele Kinderbücher gefunden, die mir gefallen haben bezüglich dieses Themas. Aber eines mag ich ganz besonders: Fritzi war dabei: Eine Wendewundergeschichte
Fritzi kommt gerade in die 4. Klasse. Die Sommerferien sind vorbei, alles ist irgendwie wie immer.
Oder eben doch nicht.
Als die Kinder in der Klasse nach dem Fahnenappell aufgerufen werden, fehlt ein Mädchen. Ausgerechnet Fritzis Platznachbarin Sophie. Sie ist mit ihren Eltern in Ungarn und kommt nicht mehr zurück. Als Fritzi aus der Schule kommt, erfährt sie, dass außer Sophie noch eine Menge weiterer Leute in Ungarn sind.
Und ständig werden es mehr. Schließlich ruft die Oma aus München an und fragt: „Ich wollte nur mal hören, ob ihr noch da seid!“
Dabei geht der Alltag trotz der „Ungarn-Sache“ weiter und Fritzi ist einfach stolz, endlich Thälmann-Pionier zu sein. Aber schließlich wird auch Mama irgendwie merkwürdig und nachdenklich. Sie fragt Fritzi, ob sie mit zum Friedensgebet in die Nikolaikirche kommen möchte. Obwohl Fritzi keine Ahnung hat, was das sein soll, geht sie mit und erlebt, dass nicht jeder mit den Veränderungen einverstanden ist. Na, aber die sind ja nicht mehr aufzuhalten.
Ich finde dieses Buch wunderbar – es ist nicht tendenziös, es ist einfach ehrlich. Da gibt es keine gute und keine böse Seite. Es wird nichts beschönigt, aber alles wird mit einem großen Herzen und viel Verständnis erzählt.
Und so endet die Geschichte wunderschön mit Fritzi, die bei Oma in München im Wohnzimmer einschläft und denkt „Vielleicht ist es ja einfach ein Wunder.“
Und das ist es ja auch – bis heute.
Ein ideales Buch für Kinder ab ca. 7 Jahren – und es ist so schön und gibt so vieles zu dem Thema zu besprechen, dass Ihr es unbedingt mit Euren Kindern zusammen lesen solltet.
Alles ist möglich! Diesen gedanken sollten wir festhalten und an unsere Kinder weitergeben.
Danke für den Buchtipp, den muß ich mir merken!
Liebe Grüße
Suse
[…] von Revoluzza war direkt in Berlin dabei und ihre Erinnerungen scheinen sehr präsent. Außerdem bringt sie es […]